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Stolpersteine | © Knaro.at
Schauplätze
Über Geschichte(n) stolpern
Man begegnet ihnen in der gesamten Stadt Salzburg. Manche glänzen in der Sonne, anderen haben Zeit und Wetter bereits eine dunklere Patina verliehen. Eines haben alle Stolpersteine gemeinsam: Sie sind ein Symbol gegen das Vergessen.
Josef Witternigg, geboren 1881, im Widerstand verhaftet 1934, an den Haftfolgen gestorben am 28. Februar 1937 in Salzburg. Emilie Fischer, geboren 1885, 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, ermordet am 26. Dezember 1943. Ida Petermann, geboren 1939, am 14. Jänner 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Viele dieser sogenannten „Stolpersteine“ fallen uns bei unserem Spaziergang durch die Stadt Salzburg ins Auge. Die quadratischen Steine aus Messing wurden vor den letzten Wohnhäusern und Wohnungen der Genannten in den Asphalt von Gehsteigen oder Plätzen eingelassen. Und erinnern an furchtbare Einzelschicksale, die sich inmitten der Gesellschaft abgespielt haben – damals, vor noch gar nicht langer Zeit.
Salzburg machte den Anfang
Ins Leben gerufen wurde diese Offensive gegen das Vergessen 1992 in Köln, von dem deutschen Künstler Gunter Demnig. 1997 begann das Stolperstein-Projekt größere Kreise zu ziehen, als die ersten zwei Steine mit amtlicher Genehmigung verlegt wurden – und zwar in Sankt Georgen bei Salzburg. Zehn Jahre später folgten die ersten Stolpersteine an sieben Stellen in der Stadt Salzburg. Heute sind es 356 quadratische Steine, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern – und jedes Jahr werden vom Personenkomitee „Stolpersteine Salzburg“ weitere Steine verlegt. Als wir einen Blick über die Grenzen Österreichs werfen erfahren wir, dass es aktuell rund 56.000 Stolpersteine gibt – in 20 Ländern. Das Projekt Stolpersteine ist damit zum größten dezentralen Mahnmal der Welt angewachsen. Und Salzburg machte vor genau 20 Jahren den Anfang.
Schicksale, in Messing graviert
Wir setzen unseren Spaziergang fort, gehen vom Bärengässchen in Mülln, wo wir den Gedenkstein des Sinti-Mädchens Ida Petermann lesen, hinüber in die Neustadt, in die Franz-Josef-Straße, wo wir unter anderem die Schicksalsdaten von Emilie Fischer in Messing graviert finden. Am Max-Ott-Platz fallen uns noch drei Steine auf. Einer davon trägt den Namen von Andreas Rehrl, Jahrgang 1899. Er starb beim Bombenentschärfen, einer Zwangsarbeit, am 17. November 1944. Wir schlendern weiter, überlegen, ob wir uns noch in ein Kaffeehaus setzen sollen. Oder nicht. Denn natürlich ist es bedrückend, diese vielen Schicksale zu lesen. Den Steinen zu folgen.
Gegen das Vergessen
Aber gleichzeitig ist es immens wichtig, gerade in einer so wunderschönen Stadt wie Salzburg, die dunklen Zeiten nicht zu negieren. Also trinken wir einen Kaffee, genießen den Blick auf diese wunderbare Stadt, auf den Trubel um uns herum. Und sprechen über die Steine, über die Schicksale, über die Geschichte. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“ heißt es im Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Wir werden bei unseren Spaziergängen ab jetzt immer wieder auch auf den Asphalt blicken, die Namen lesen. Uns erinnern. Gegen das Vergessen.