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Portraits

Einsatz für die wichtigste Stimme Salzburgs: „Jeeedeeermaaan!“

Gottfried Seer hat eine ganz besondere Aufgabe: Er ist einer von vier Männern, die die Vorstellungen von Hugo von Hofmannsthals Stück durch den eindringlichen und allmächtigen Ruf nach „Jedermann“ zu einem mystischen Erlebnis machen. Seit über 20 Jahren ist er Teil des Faszinosums Salzburger Festspiele – und das am wohl schönsten Arbeitsplatz Salzburgs: dem Turm der Franziskanerkirche.

Wir treffen Gottfried Seer zu einem kleinen Spaziergang durch den Festspielbezirk und lauschen dem pensionierten Handelsreisenden und passionierten Gärtner, als er von seinen Jahren bei den Festspielen erzählt und dabei Einblick gewährt in eine einfache, aber doch fesselnd komplexe Aufgabe. 

Herr Seer, vornweg: Empfinden Sie die Aufgabe des Jedermann-Rufers als Nebenjob, als Hobby oder als Leidenschaft?

Als Leidenschaft. Das Stück fasziniert mich, es hat so viele Schichten und ist im Grunde zeitlos. Ich sag’s Ihnen, Gauner gibt’s immer. (lacht)

Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?

Im Jahr 2000 hat ein Bekannter von mir, ein Hausarzt und gelernter Opernsänger, einen Rufer-Wettbewerb veranstaltet. Den habe ich gewonnen. Im Jahr drauf bin ich zu einem Stimm-Casting auf den Domplatz gegangen. Damals war Gerry (Gernot) Friedl der Regisseur des „Jedermanns“. Er hörte sich die Teilnehmer an und unterteilte sie in Gruppen. Da sagt er auf einmal „Und welcher ist jetzt der, den mir der Doktor geschickt hat?“. Da musste ich vortreten und rufen. Der Rest ist Geschichte. Seither habe ich keine einzige Aufführung versäumt und bin heute „Dienstältester“. (überlegt) Aber vielleicht hat es auch damals begonnen, als ich mit vier Jahren auf der Alm gejodelt habe. Meine Mutter war nämlich Sennerin. 

Wie stelle ich mir den „Dienst“ als Jedermann-Rufer vor?

Wir sind ein Team aus vier Männern mit ein paar Ersatzmitgliedern. Die meisten Rufer sind Studenten, die sich beim Bühnenbau im Sommer ein Zubrot verdienen. Ich stehe auf dem Balkon des Turms der Franziskanerkirche und bin der erste, der das berühmte „Jedermann“ ruft. Zwei stehen in den Dombögen und einer steht auf der sogenannten „Katze“, einer Anhöhe zwischen Dom und Festung. Wenn die Vorstellung aufgrund von Regen im Festspielhaus stattfindet, sind wir auch dort zu viert vertreten. Ich darf dann im hinteren Rang stehen – bei geöffneten Türen und zwei Meter dahinter, damit es nicht zu laut wird für das Publikum. (zwinkert)

Der Turm der Franziskanerkirche – das ist ja ein ganz spezieller Arbeitsplatz?

Ja, der schönste! Mit genau 200 Stufen Anreise. Ich sage immer, wenn man einmal um den Balkon herum geht, hat man die kürzeste Stadtrunde mit dem schönsten Ausblick. Der Blick auf den Verlauf der Salzach ... einfach schön. Bei klarem Wetter sehe ich sogar bis ins Innviertel. Und natürlich erkenne ich auch, wenn ein Gewitter anrollt. Manchmal werde ich durch mein Funkgerät gefragt: „Gottfried, wie schaut’s aus?“ (lacht) Mittlerweile erkenne ich schon an den Fahnen auf der Festung, wie sich das Wetter kurzfristig entwickeln wird. Und dann dürfen Sie nicht vergessen, dass für die Aufführungen am Domplatz der Flugverkehr über dem Festspielbezirk umgeleitet wird und keine fremden Glocken ertönen dürfen. Das ist schon eine besondere Stimmung.

Sie brauchen Ihre Stimme als Werkzeug den ganzen Sommer lang. Wie lange dauern die Festspiele für Sie persönlich und wie schonen Sie Ihre Stimme?

Im Prinzip beginnt die Arbeit Mitte Juli, dann wird etwa eine Woche intensiv geprobt. Es folgen je nach Saison bis zu 14 Vorstellungen. Während dieser Zeit, also Mitte Juli bis Ende August, schone ich natürlich meine Stimme. Da gibt’s kein Geschrei am Fußballplatz und kein Jodeln auf der Alm (lacht). Das hat schon auch mit Respekt vor der Aufgabe zu tun, dass man da aufpasst. Deshalb habe ich auch noch keine Aufführung wegen Heiserkeit ausfallen lassen müssen. Und ich weiß ja auch, wenn ich den Dom genau in der Mitte der Fassade anrufe, hilft mir der Widerhall und trägt meine Stimme überall hin. 

Nach so vielen Jahren – da haben Sie doch sicher einige Hoppalas erlebt? 

So viele waren es gar nicht, das Team ist sehr professionell und der Ablauf eine gut geölte Maschine. Aber ich kann mich erinnern, einmal hätte ich es fast nicht zum Einsatz geschafft, weil der Bus Verspätung hatte. Da bin ich dann gerannt von der Haltestelle Rathaus hinüber zum Technik-Container, um mein Funkgerät abzuholen und hoch die 200 Stufen des Turms der Kirche. Oben angekommen war ich gerade noch rechtzeitig – aber ich war so außer Atem, dass mein erster Ruf eher verhalten war (lacht).

Eine kurze Frage zum Schluss: Wer war Ihr liebster Jedermann? 

Peter Simonischek. Der kam zu mir her und meinte gleich: „Ich bin der Peter.“ Ein toller Mensch und Künstler. 

Veröffentlicht 21.06.2021

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